Viele Wege führen nach Rom, auch der von Wallerie

Manchmal sehnt sich Wallerie in die Zeit zurück, in der sie in der Hochlandebene in Ostafrika lebte. Sie war frei, gehörte keinem Staat an und wenn ihr jemand zu nahe kam, setzte sie ihren Stachel. Wie gut, dass Kasimir und Ambrosius ihr zur Seite stehen, wenn ihr alles zu geordnet abläuft.

Den Titel „Killerbiene“ bekam ich von einem Bienenforscher namens Warwick Kerr, der durch seine Forschung zur Hybridisierung der afrikanischen Biene und der italienischen Biene bekannt wurde. Leider war ich eine von denen, die trotz der vielen Kreuzungen mit wesensfreundlicheren Bienen, immer noch ein gehöriges Potential an Durchsetzungsvermögen geblieben ist. Ich war unerwünscht und für weitere Kreuzungen nicht mehr zu gebrauchen. Deshalb steckte man mich kurzerhand in die Imkerei am Petersdom in Rom. Die dortigen Imker waren für ihre besondere Güte und Geduld bekannt und für ihre Klugheit geschätzt. Ich brauchte trotz allem viel Zeit, um mich an die strengen Regeln zu gewöhnen.

Bei einem meiner Erkundungsflüge, ich war als Späherin eingesetzt, lenkten zwei Bienen meine Aufmerksamkeit auf sich, die so sehr in ihrer Diskussion vertieft waren, dass sie mich nicht bemerkten. Ich lauschte ihren Worten und konnte hören, dass sie über die Gemeinschaft und weisheitsvolle Zusammenarbeit im Bienenstock sprechen und, dass die Menschheit aufhören soll, uns Bienen nur als Honiglieferanten zu betrachten. Ich nahm mir vor, die beiden bei nächster Gelegenheit darauf anzusprechen, denn auch ich sehe uns als Protagnisten für das Universelle Gesetz: „Wie im Großen – so im Kleinen, wie im Kleinen – so im Großen“. 

Wie Ambrosius‘ Gutgläubigkeit ausgenutzt wurde und er Zuflucht bei Kasimir fand

Ambrosius beobachtet schon seit ein paar Tagen, dass immer mehr Vögel Kreise um die Bienenstöcke ziehen. Die Zeit des großen Drohnensterbens ist gekommen. Kurzerhand werden sie, weil nicht mehr nützlich und die Begattungszeit vorbei ist, von den Arbeiterinnen aus dem Stock vertrieben. Die Drohnen sterben entweder am Gift ihres Stachels oder verhungern oder erfrieren. Für die Vögel und andere Tiere sind sie nun ein gefundenes Fressen. Da fiel ihm plötzlich ein Zitat von Goethe ein, dass ihn und Kasimir zum Philosophieren anregte:

«Und so lang du das nicht hast,
Dieses: Stirb und werde!
Bist du nur ein trüber Gast
Auf der dunklen Erde.»

Auf dem Weg nach Italien wollte Napoleon alles über die Gepflogenheiten im Vatikan wissen. Da er wusste, dass ich in meiner Zeit als Bischof von Mailand Zugang zum Vatikanischen Apostolischen Archiv hatte, war es für mich nicht ungewöhnlich, dass er „mein Wissen schätzte“, wie er es immer betonte. Doch seine Fragestellungen wurden immer konkreter und ich hatte das Gefühl, dass er mein Wissen für seine Zwecke missbrauchte. Ich konnte das alles nicht mehr mit meinem Gewissen vereinbaren und nutzte eine unbeobachtete Minute, um zu verschwinden.

Ich flüchtete nach Rom in den Petersdom, wo ich von unglaublich netten Klosterimkern herzlich aufgenommen wurde. Dort lernte ich Kasimir kennen und wir wurden schnell Freunde. Als ich ihn den Grund meiner Flucht erzählte, bestätigte er mein ungutes Gefühl, denn unmittelbar danach kam das Archiv nach Paris. Dass auch Kasimir eine Begegnung mit Napoleon hatte und er uns letztendlich zusammenbrachte, fanden wir schon sehr schicksalshaft.

Wie Kasimir aus einem beschaulichen Dasein vertrieben wurde, um in einer machtbesessenen Umgebung zu landen

Bei einem ihrer täglichen Kontrollflüge konnte Wallerie beobachten, wie die Bienenmutter (so nannten sie die Imkerin) Met in Flaschen abfüllte. Wallerie informierte Kasimir, weil sie wusste, dass er Met liebte.

„Weißt du Wallerie, der Geschmack des Mets erinnert mich an meine Zeit im Kloster von La Celle in der Provence in Frankreich. Das war im 17. Jahrhundert. Es war ein sehr streng geführtes Kloster, in dem Klausurnonnen lebten. Ich habe mich die meiste Zeit in ihrer Bibliothek aufgehalten, bis die Unruhen der Französischen Revolution bis zu unserem Kloster vordrangen. Das Schicksal wollte es, dass ich bei meiner Flucht zufällig in Paris im Garten von Schloss Malmaison eine Unterkunft fand. Dort lernte ich Napoleon Bonaparte kennen. Er ließ mich gewähren. Wahrscheinlich, weil er wusste, dass wir Bienen die Menschen verstehen können. Eines Tages nahm er mich sogar mit nach Italien, wo ich das erste Mal mit Ambrosius zusammenkam. Aber das ist eine längere Geschichte, die du dir am besten von Ambrosius selbst erzählen lässt. Leider hat Napoleon uns Bienen als sein Machtsymbol gewählt. Wir sollen in seinen Augen für die Unsterblichkeit und Wiedergeburt stehen.“

Antrittsrede der Schwarmkönigin vom Siebenstern-Bienenstock im Mangfalltal

Für ihre Zusammenkünfte wählte Queeny einen umgedrehten Korb, der in der hintersten Ecke eines Schuppens liegt und keine Verwendung mehr hatte. Sie liebt diesen Ort, weil er sie an die Anfänge ihres Bienendaseins erinnerte, als die Bienenwohnungen nur aus Weidenruten und Stroh bestanden. Später erfuhr sie vom Hofhund Xaverl, dass dieser Korb vom Großvater der Imkerin stammt, der von Beruf Korbflechter war und genau dieser Korb sein Gesellenstück war. Lange blieb dieses Versteck unbemerkt, bis der kleine neugierige Welpe auf das Summen und Brummen der Versammlung aufmerksam wurde. Es war die Aufgabe von Wallerie sich mit ihm zu verbünden. Er begriff schnell, dass er es sich nicht mit dem Inhalt des Korbes verscherzen soll und hielt dicht. Er wurde sogar vor jedem Treffen von Wallerie informiert, damit er die Imkerin ablenken kann. Das tat er dann auch, denn auf ihn kann man sich verlassen. Er gab nach einem kleinen Stich in die Pfote sein Ehrenwort.

Bevor Queeny ihre Königinnenzelle verließ, um sich ihrem Volk zu zeigen, übergab Wallerie ihr die Krone aus dem Wappen von Manchester. Selbstbewusst, mit dem Wissen und der Erfahrung von Jahrmillionen, verkündete sie einen Plan, der die Zukunft aller sichern soll.

„Liebe Brumm- und Summgemeinde. Mir ist zu Ohren gekommen, dass außerhalb unserer Siebensterngemeinde in so manchen Imkerkreisen die Funktionalität und Ausbeutung der Bienenstöcke angestrebt wird. Man hat sich verschiedene Techniken ausgedacht, die es möglich machen, uns als austauschbare Ware zu behandeln. Sogar vor einer künstlichen Züchtung von Regentinnen denn Königinnen kann man dazu nicht mehr sagen wird kein Halt gemacht. Ich nehme an, dass diese Imker und Imkerinnen nicht wissen, dass dies das Ende ihrer Bienenvölker bedeuten könnte“.

„Ich werde mit Kasimir, Ambrosios und Wallerie eine Aufklärungskampagne starten. Sie werden euch regelmäßig über die Ergebnisse informieren. Wenn ihr jetzt zurückfliegt, vergesst bitte nie: Honig ist flüssige Liebe und jeder Bienenstock hat eine Seele, was wäre er ohne sie?“

Queeny bekam einen ohrenbetäubenden Applaus und mit viel Gesumme und Gebrumme setzte sich der Schwarm in Bewegung. Auch Xaverl stimmte mit einem tiefen Wuff dem Gesagten zu.